Sonntag, 20.05.2018, 11:30 Uhr
Galerie GRÖLLE passprojects
Wie zeitgenössische Künstler und Wissenschaftler Paulus' 1. Korintherbrief verwirklichen
Zizek, Agamben, Badiou und diverse andere Gracehopper haben Paulus-Bücher vorgelegt. Der ausdrücklich nicht durch Jüngerschaft legitimierte Begründer des Universalismus findet Interesse bei Nicht-Theologen in Zeiten, in denen tatsächlich gefragt wird, ob Demokratie, Rechtsstaat, Sozialstaat tatsächlich Weltgeltung beanspruchen können.
Der Vorwurf, jene Konzepte würden der Welt als Fortsetzung des Imperialismus übergestülpt, ist unsinnig, da in Europa um diese Konzepte 300 Jahre lang gerungen wurde. Allein die Durchsetzung der Forderungen der Gewerkschaften und der hundertjährige Widerstand der SPD gegen Autokratie haben mehr Opfer gefordert, als wir in Erinnerung zu behalten vermögen. Und was in Europa selbst erkämpft werden musste, kann nicht als eurozentrisch stigmatisiert werden.
Die Auseinandersetzung zwischen Petrus und Paulus in der Jerusalemer Konferenz um 50 n. Chr. scheint so grundsätzlich gewesen zu sein und gewirkt zu haben, dass sich die heutigen Meisterdenker an ihr zu orientieren versuchen für die Bestimmung des Verhältnisses von Universalismus versus Auserwähltheit und Exklusion. Andererseits war die Entstehung jener europäischen Errungenschaften an die Bildung von Nationalstaaten gebunden.
Lassen sich beide Positionen nur in einem erneuten Pfingstwunder miteinander vereinbaren und wie sollten wir ein solches Wunder erwarten können? Eine immer wieder stark gemachte Antwort lautet: Die Kunst gibt das Beispiel als einzige metaphysische Praxis der heutigen Menschheit. Aber 1. Kor. 14 leitet uns dazu an, über die bloße Schönrednerei der schönen Künste hinaus prophetische Kraft in der Vorausschau durch Erwartung zu entwickeln.