Weltpathos Digitalisierung
Die Angst der Künstler vor der Intelligenz
Die unzähligen Warnungen vor der bedrohlichen Verselbständigung der künstlichen Intelligenz sind auf den ersten Blick als opportunistische Selbsterhöhung der Schöpfer der KI-Technologien zu durchschauen. Sie spielen sich nicht nur als Gott auf, sondern reklamieren zugleich die Rolle des Mephisto, des Teufels für sich. Also ein Affentheater von Allmachtswahnsinnigen – aber gerade weil sie wahnsinnig sind, sind sie gefährlich wie die Entwickler von Atom- und Wasserstoffbomben, die Erfinder von Giftgasen, die Finanzwirtschaftler oder Asozial-Media-Betreiber.
Wovor man sich bei der KI-Anwendung fürchtet, ist bloße Entlastung vor der Einsicht, dass der Wahnsinn längst Methode ist. Sekündlich rasen Billionen Dollar um den Erdball in einem weltumspannenden Netz der Unterwerfung der Menschheit unter das Diktat der Willkür von Finanztyrannen, die sich selbst wie die Chefs von J.P. Morgan für Vollender der göttlichen Schöpfung halten.
Insofern heißt Künstliche Intelligenz richtigerweise künstliche Dummheit: also nicht KI, sondern KD (statt von 'Artificial Intelligence' müsste man also von 'Artificial Ignorance' sprechen).
Und was bezeichnete dann sinnvollerweise die Intelligenz, auf die sich Künstler und Wissenschaftler ausrichten sollten? Intelligent ist die Einsicht, dass parallel zu Lebensformen, wie wir sie kennen, andere Formen des Lebens denkbar sind. Darauf beziehen sich die begründeten Bedenken gegenüber der Gefahr der Verselbständigung KI-gesteuerter Systeme.
Die natürliche Evolution des Lebens, die uns vertraut zu sein scheint, muss abgesetzt werden von der künstlichen Evolution, wie sie autonom gewordene KI-Systeme in kürzester geschichtlicher Zeit schaffen könnten.
Derartige Denkmöglichkeiten haben grandiose Science Fiction-Autoren unterhaltsam werden lassen, aber eben als Science Fiction und nicht als Philosophy of Science.
Neunmalkluge Chöre wenden ein, die „Computer“ könnten niemals ein dem menschlichen Bewusstsein entsprechendes Potential generieren. Das Bewusstseinsniveau, das sich in apodiktischen Aussagen wie dieser ausdrückt, haben heutige KI-Systeme bereits erreicht.
Erinnern wir uns an die unseligen Zeiten, in denen sogar Professoren als höchste Repräsentanten der Menschheit selbstbewusst behaupteten, allein Menschen verfügten über Werkzeuggebrauch, sprachliche Kommunikation, Selbstwahrnehmung und eben Bewusstsein.
Das alles teilen wir längst mit Affen, Hunden, Elefanten, ja sogar mit Ratten oder Raben. Für jeden Hundehalter sind die Bewusstseinsleistungen seines tierischen Partners kaum von denen seines menschlichen Partners zu unterscheiden.
Zur allmählichen Akzeptanz der Herausforderungen durch KI erinnere man sich an die bisherigen fünf großen Kränkungen der Menschen in ihrem Selbstverständnis: Kopernikus, Darwin, Einstein, Freud und Neuro-Singer (siehe dazu auch: https://bazonbrock.de/werke/detail/?id=1984§id=1343). Da werden wir die KI-Gurus auch noch durchs „Dennoch!“ bewältigen. Wir beginnen damit, uns klarzumachen, dass in jedem Klümpchen Silizium alle Naturgesetze manifest sind. Wie uns die Kleinteilchen- und Astrophysiker nahelegen, stoßen wir überall, wo wir auch nur einen Zipfel der Natur packen, auf Kräfte, die man seit alters her mit dem Begriff Geist zu kennzeichnen versucht. Es ist verständlich, dass es manchem, der sich als Mensch ausgibt, schwer fällt, zu erkennen, dass sein geistiges Vermögen kaum über das hinausreicht, das in einem Grashalm wirksam ist. Wenn man als „moderner“ Künstler glaubt, sich über die Kunst als „Nachahmung der Natur“ erheben zu müssen, sollte man sich wie Goethes Werther 1773 auf eine Wiese legen, um zu erfahren, dass unser Stolz, Komplexität zu erkennen, weit unterhalb der Leistungen jedes noch so winzigen Stückchens Natur steht.
Aber selbst auf der Wahrnehmungsebene hat es kein noch so grandioser Maler bisher vermocht, dem sinnlichen Eindruck einer vom Wind bewegten Baumkrone malerisch zu entsprechen. Nachahmung der Natur ist die denkbar höchste Herausforderung an das menschliche Erkenntnisvermögen. Dazu bedarf es der Intelligenz als Bereitschaft, sich nicht über die Bedingungen zu erheben, die unser Leben überhaupt erst ermöglichen. Das sollte unseren Begriff von Evolution welcher Systeme auch immer kennzeichnen.
© Bazon Brock, Cronenberg 2023
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