

ULRICH MEISTER >> Was sind die Dinge <<
17.05.- 28.06.2025
Wandtext für die Kunsthalle Schaffhausen
Dr. Thomas Hirsch, Düsseldorf
Ulrich Meister
Ulrich Meister gehört zu den bedeutenden Künstler:innen seiner Generation. Er hat einzigartige, weltweit beachtete Beiträge zur Konzeptkunst geleistet und ist ebenso Maler und Zeichner wie Künstler mit Schrift und Text.
Ausgehend von seiner lebenslangen Beschäftigung mit Sprache und Text – ihrer typografischen Erscheinung und ihrer Fähigkeit zur Differenzierung, aber auch ihren poetischen und musikalischen Qualitäten – und seinem visuellen Gespür für das Formrepertoire der von Funktionalität und Gestaltungswillen bestimmten Gegenstände unserer Zivilisation wendet er sich ihrer Beschaffenheit inmitten der kleinen Ereignisse im Alltag zu. Das sind ein aufgeschlagenes und ein geschlossenes Buch, eine Birne und eine Käse-Ecke, eine Flasche und ein Schwimmreifen und einiges weitere mehr. Er vergegenwärtigt sich ihrer formalen Beschaffenheit und ihrer Komplexität in der Nuance mittels Sprache und Linienzeichnungen, teils in Verbindung mit Ausschnitten etwa aus Supermarktprospekten, mit eigenständigen Polaroids und schließlich auch in Scherenschnitten und Malereien, deren Impetus die Wirklichkeitswiedergabe ist. Bemerkenswert ist, dass Ulrich Meister sein Repertoire der Gegenstände begrenzt hält und sogar über Jahrzehnte immer wieder auf die gleichen Dinge zurückkommt. In konsequenter, sukzessiver Reduktion hin auf das Schematische und Prototypische arbeitet er so ihren „Kern“ heraus. Es geht ihm um das Eigentliche, Wesentliche, aber auch die Vielschichtigkeit der Formsprache und um ihre Schönheit. In Gesprächen hat Ulrich Meister betont, dass für ihn die funktionale Verwendung demgegenüber in den Hintergrund tritt.
Ulrich Meister wurde 1992 auf der documenta in Kassel schlagartig international bekannt, als er dort seine „Text-Objekte“ zeigte: So nannte er seine Kombinationen aus Gebrauchsgegenständen und, daneben an der Wand aufgehängt, einzelnen, auf einen Zettel geschriebenen oder getippten Sätzen, die sich rein den Formverläufen zuwenden und diese in bedachter, minutiös hinschauender Weise erfassen und in bildhafter Sprache neu verstehen. Gegenstand und Text ereignen sich parallel, berühren sich, streben auseinander und vermitteln einen immensen Erkenntnisgewinn, oszillierend zwischen sachlich objektiver Beschaffenheit und subjektiver Weltaneignung.
Im Laufe der Jahre hat Meister immer weitere Konzentrationen vorgenommen. Er arbeitet das Typische und wiedererkennbar Essentielle der Formen in ihrer räumlichen Anlage heraus, zentriert und isoliert sie zugleich auf der weißen Bildfläche. Weiterhin hat er – in der immer selben Typografie – auf den Bildträger geschrieben, lapidare Geschehnisse etwa daheim oder im Atelier festgehalten und auch die Korrekturen belassen und mit einbezogen. Nebenbei sind so wunderbare, tiefgründige sprachliche Miniaturen entstanden.
Ulrich Meisters Kunst lehrt, aufmerksam zu sein und das Leben in der Familie und mit Freunden oder bei der Arbeit mit Milde und Gelassenheit, gepaart mit einem sanften Humor zu würdigen. Konsequenterweise lag ihm gar nicht an der großen Geste, weder in den Themen und Sujets, noch im Format oder im Anspruch. Vielmehr vermittelt er Einzigartigkeit und Liebe – auf dem Weg zum Glück, das schließlich nur in den kleinen Dingen zu entdecken ist.
Ulrich Meister wurde 1947 in Schaffhausen geboren; er ist hier aufgewachsen und hat 1963 eine Lehre zum Schriftsetzer absolviert. 1967 ist er nach Düsseldorf gezogen und hat sich im darauffolgenden Jahr an der dortigen Kunstakademie eingeschrieben und in der Klasse von Joseph Beuys studiert. In Düsseldorf hat er bis zu seinem Tod im August 2023 gelebt. Er wurde weltweit, etwa in die USA und Japan zu Ausstellungen eingeladen. In der Schweiz unvergessen sind seine Schauen im Museum Allerheiligen 2009 sowie zuletzt im Haus für Kunst Uri, in Altdorf 2021.